Freitag, 1. Februar 2013

Blick in die Geschichte (I)


Ein Wertheimer, der in der Nachkriegszeit als Mieter des Fürstenhauses Löwenstein-Wertheim-Freudenberg im Schlösschen gewohnt hat, hat uns zu unserem letzten Beitrag mitgeteilt, dass er sich deutlich an eine verblassende Vergoldung der Tympanon-Inschrift erinnern kann. Vielen Dank!

Bis das Jahresveranstaltungsprogramm für das Schlösschen rechtzeitig zum Saisonbeginn vorliegt, wollen wir ab und zu einen Blick in die Geschichte des Hauses werfen.

Erbauer des Rokoko-Schlösschens war 1777 Graf Friedrich Ludwig zu Löwenstein-Wertheim-Virneburg (1706-1796), einer von fünf gleichberechtigt die Grafschaft Wertheim regierenden Brüdern der älteren, evangelischen Linie der Löwensteins.

Als Gießener Student schrieb er seinem Kommilitonen und Freund Johann Jacob Macrander aus Frankfurt am Main irgendwann zwischen 1724 und 1728 in dessen studentisches Stammbuch einen Spruch aus den Metamorphosen des römischen Dichters Ovid: Video meliora proboque deteriora sequor. (Ich sehe und lobe das Bessere, folge aber dem Schlechteren.) Dies mag zeigen, dass das studentische Leben auch damals schon seine eigene Ausprägung aufwies. Auf das Werk und die Hinterlassenschaft des alternden Grafen will das Zitat nicht mehr recht passen. Auch an den Prozessen menschlicher Reifung hat sich also offenbar wenig geändert.

Porträt des Grafen Friedrich Ludwig im Alter.
In erster Ehe war Graf Friedrich Ludwig mit der zehn Jahre jüngeren Sophie Christine Albertine, Gräfin von Erbach-Erbach, verheiratet, die 1741 im Kindbett nach der Geburt ihres dritten Kindes starb. Die zweite Ehe des Grafen mit Sophie Louise Christina zu Solms-Rödelheim und Assenheim blieb kinderlos. 

Als der Graf 1777 die Fertigstellung seines Sommersitzes erlebte, war er seit vier Jahren zum zweiten Mal Witwer und mittlerweile 71 Jahre alt. Doch 19 Sommer blieben ihm in dem Rokokobau, den erst das 20. Jahrhundert als »Schlösschen« apostrophierte, bis er fast 90-jährig starb.

Auf der Ost- und der Südseite des Gebäudes ließ der Graf damals einen Garten nach den Regeln barocker Gartenbaukunst anlegen, von dem ein Plan aus dem Jahr 1783 zeugt. Diese Planzeichnung schenkte das Fürstenhaus Löwenstein-Wertheim-Freudenberg dem neuen Eigentümer von Schlösschen und Park, der Stiftung Schlösschen im Hofgarten, anlässlich der Eröffnung des Museums 2006.  (Lk)

Der Ausschnitt aus dem Plan von 1783 zeigt unten rechts das Schlösschen,
oben links das Gärtnerhaus (heute Museumscafé) und rechts daneben die kleine
Georgskapelle, die erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts eingestürzt ist.

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